Nun war er endlich da, der Derbytag. Bis auf den besch... Termin stimmten alle Voraussetzungen. Meine Nervosität hatte sich im Tagesverlauf langsam gesteigert aber jetzt ging es endlich los. Der Shantycore hatte sich verabredet gemeinsam anzureisen und so traf ich in Barmbek den Kartenkapo. Die Anderen wollten wir am Eingang der S-Bahn Sternschanze treffen.

Unsere Erwartungen waren nicht hoch. Stani würde sich zwar mit der Mannschaft sicher nicht verstecken, aber einen Sieg hielten wir eher für unwahrscheinlich.

Wir gingen auf den Bahnsteig, der sich bald mit erwartungsvollen St Pauli Fans füllte, die sich bis Altona aber eher ruhig verhielten.

In Altona hielt unsere Bahn mehrere Minuten, vielleicht weil der Bahnsteig voll mit Polizei, HSV- und St. Pauli-Fans war.

Eine Gruppe von St. Pauli-Fans provozierte mit dem Lied: Gehst du durch’s Viertel ...

So weit noch ganz lustig, denn was wäre ein Derby ohne Frotzeleien? Aber dann kam ein HSV Fan aus einer stark angetrunkenen Gruppe in offensichtlich friedlicher Absicht auf unseren Wagen zu und wurde prompt mit „Verpiss dich Du ..“. beschimpft und mit Flüssigkeit (Bier oder Spucke) bespritzt.

Eine weitere Eskalation wurde nur durch andere HSV Fans aus der Gruppe verhindert. Fand ich gut.

In Othmarschen kauften wir uns beim Dönerladen in ein paar Dosen Warsteiner und Becks. Astra war schon vergriffen (komisch). Nach dem der große Ansturm auf die Shuttlebusse etwas nachgelassen hatte, wurden auch wir bequem mit Polizeieskorte über extra abgesperrte Straßen zur „Wie Heißt Sie Gerade Noch Arena“ kutschiert.

Vor der Arena tranken wir unsere letzten Biervorräte und stellten uns in die Schlange (na gut, in das Gedränge) vor dem Eingang zum Gästeblock.

Insgesamt hatten wir zunächst den Eindruck es ging schneller vorwärts als z.B. beim Spiel HSV gegen Celtic, da sicherlich 15 Ordner anwesend waren.

Wir merkten jedoch schnell, dass von denen nur ca. 5 wirklich arbeiteten, dass aber sehr gründlich .

Der „Kleine“ Neffe vom Präsi hatte ein Taschenmesser "versteckt" (also, soll heißen, versehentlich dabei) welches auch prompt gefunden wurde.

Was ich weniger gut fand war, dass die mitgebrachten Fanartikel "zensiert" wurden. So musste ein Fan eine Fahne abgeben weil sie angeblich inhaltlich nicht OK war.

Wir teilten uns in Sitzer und Steher auf. Unser Kartenkapo hatte es geschafft die verstreuten Sitzplatzkarten so zu tauschen, dass alle Shantys in einer Reihe sitzen konnten.

Wir hatten uns auf ein Catering Boykott verständigt. Eher symbolisch, es gab ja sowieso nur alkoholfreie Getränke.

Super fand ich die Aktion der St. Pauli Choreo Gruppe, die mehrere Hundert große Braun-Weiße Fahnen im gesamten Gästebereich verteilt und am Balkon ein Braun-Weißes Banner und ein Sankt Pauli Logo befestigt hatte.

Die HSV Fans zeigten vor Spielbeginn den Spruch: "Rebellischer Totenkopf - verkauft, selbstverwaltete Kurve - verkauft, ehrlicher Fußball - verkauft, kultiger Mythos - verkauft. Wer nichts mehr hat, muss halt an der Stange tanzen." Sollte uns wohl ärgern, ärgerte aber maximal unsere Vereinsführung. Schade, dass sie es nicht in schwarz auf rot geschrieben hatten, so hätte das Banner auch am Millerntor zum Einsatz kommen können.

Die HSV Choreo zum Einlauf der Mannschaften sah wirklich sehr imposant aus weil die gesamte Nordkurve schwarze, weiße und blau-glitzernde Zettel hoch hielt. Kompliment, aber es wirkte schon fast zu perfekt, ähnlich wie eine Choreo bei einem Länderspiel. Andererseits passt so etwas wohl zum HSV, wie die wilde Konfettichoreo aus dem Hinspiel zu uns passt.

Nun ging es endlich los. Anpfiff!

Sportlich dominierte der HSV die erste Halbzeit. Es war nicht die Frage ob, sondern nur wann der Ball bei Benedikt Pliquett im Netz zappeln würde. Zunächst fragten wir uns ob Thomas Kessler vielleicht verletzt sei, hielten es dann aber für einen genialen Einfall von Holger Stanislawski den heimischen Torhüter (Ahrensburg) einzusetzen. Benedikt Pliquett machte einen sicheren Eindruck und bewahrte uns vor einigen Gegentoren.

Als in unserm Block Bengalos abgebrannt wurden riefen die HSV Fans : „Scheiß St. Pauli“ und andere St:Pauli Fans riefen: „Wir sind Sankt Pauli und Ihr nicht“ und ähnliches ...

Einige Fans im Block hinderten andere Fans daran weitere Fackeln zu entzünden, zwar flammten noch ein paar Fackeln auf, sie wurden aber gleich wieder erstickt.

Kurz vor Ende der ersten Halbzeit kam die Polizei plötzlich unter Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray in unseren Block und ließ alle Fahnen einsammeln, obwohl die Bengalos zu diesem Zeitpunkt schon lange aus waren. Wir sahen, wie verletzte Fans mit Pfefferspray im Auge oder mit Platzwunden den Block verließen . Daraufhin verließen unsere Vorsänger und viele andere Fans aus Protest ebenfalls den Block. Super :-(

Wieso die Polizei gerade zu diesem Zeitpunkt, wie wir später erfuhren, in alle St.Pauli Blocks kam, war uns ein Rätsel.

Geschockt verstummte unserer Support für eine kurze Weile,wurde dann aber ebenso laut, nur unkoordinierter wieder aufgenommen.

Nach der Halbzeitpause kam unsere Manschaft irgendwie mit neuem Selbstbewusstsein aus der Kabine und erspielte sich Kontergelegenheiten, die jedoch nicht zu echten Torchancen führten.

Bis zur 59sten Spielminute. Nach einem Eckball von Max Kruse hatte Gerald Asamoah seinen Kopf an der richtigen Stelle und der Ball war drin.

Ca. 10 Minuten vor Ende der Partie hatte Marius Ebbers noch eine erstklassige Gelegenheit, traute sich aber nicht selber zu schießen und passte zum Gegner. Fachkundig attestierten wir ihm später „Torschusspanik“

Nun begannen wohl die längsten zehn Minuten seit Langem. Es dauerte ewig bis die Nachspielzeit angezeigt wurde: noch vier lange Minuten.

St. Pauli versuchte noch ein paar Ecken herauszuholen …

Abpfiff.

Es gab auf den Rängen kein Halten mehr. Wildfremde St. Pauli Fans klatschten sich ab und lagen sich in den Armen.

Viele HSV Fans verließen fluchtartig das Stadion während St. Pauli sich selbst, den Torschützen zum 0:1, den Torwart und den Trainer feierte. You never walk alone ...

Die Eckfahne beim Gästeblock wurde kurzerhand durch eine Braun Weiße Fahne ersetzt. (Durch wen weiß ich nicht mehr, Denis Naki war es jedenfalls nicht.)

Wir trafen die andern Shantys in ausgelassener Stimmung vor dem Stadion wieder und ließen das Spiel noch einmal Revue passieren. Wie so viele Bengalos in den Block kamen war uns genauso ein Rätsel wie der mysteriöse Polizeieinsatz in ALLEN St. Pauli Blocks. Ein Nachzügler berichtete, das kurz vor Anpfiff kaum noch kontrolliert worden sei. Wahrscheinlich aus Angst der Ordner überrannt zu werden.

Plötzlich bewegte sich die Polizei samt Reiterstaffel und Wasserwerfern in Richtung Shuttelabfahrt Othmarschen. Oh je, kommen wir jetzt sicher und Trocken nach Hause? Kamen wir. Mit Bussen und Polizeischutz über die Autobahn! nach Othmarschen. Am darauffolenden Tag erfuhren wir, dass sich eine größere Gruppe St. Pauli Fans Richtung S Bahn Stellingen aufgemacht hatte, da längere Zeit keine Shuttlebusse Richtung Othmarschen verkehrten. Dank des massiven Poizeischutzes blieb es aber dabei friedlich.

Da alle am kommenden Tag arbeiten mussten fuhren wir mit reichlich Wegbier direkt nach Hause.